Die Prussia-Sammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin

Die Bestandsgruppen der Prussia-Sammlung

Im Sammlungsbestand können anhand der erhaltenen Inventarnummern mehrere Gruppen unterschieden werden:
Inventarnummern, die sich aus einer
römischen Zahl, einer Seitenzahl und einer Komplexnummer zusammensetzen, sind dem System der Prussia-Gesellschaft zuzuordnen. Dies belegen u.a. Schildchen auf Pappen mit Fundobjekten, die neben Fundort und Inventarnummer auch den Vermerk „Alterthumsgesellschaft Prussia“ tragen. Die römische Zahl zwischen eins und acht bezeichnet das Inventarbuch, die folgende arabische Zahl die Seitennummer. Es schließt sich eine Komplexnummer an, die in der Regel nicht ein einzelnes Stück sondern ein ganzes Konvolut, beispielsweise ein ganzes Gräberfeld, kennzeichnet. Grabnummern können getrennt durch einen Punkt an die eigentliche Inventarnummer angefügt sein (z.B.: V, 46, 6828. 11 bedeutet: Inventarbuch V, Seite 46, Nr. 6828, Grab 11). Zuweilen wurde auf die Angabe der Seitenzahl verzichtet (z.B. IV, 5956). Ein bislang nicht geklärter Umstand ist das Fehlen der Gruppe VI.

Mit der Vergabe dieser Nummern dürfte 1844 mit der Gründung der Prussia und der Anlage einer eigenen Sammlung begonnen worden sein. Ab 1891 werden sie auch in den publizierten Akzessionsberichten der Prussia aufgeführt. In den 1920er und 1930er Jahren konnte die Fundverwaltung mit den umfangreichen Grabungsaktivitäten des Prussia-Museums immer weniger Schritt halten, so dass einige Fundkomplexe vor 1945 gar nicht mehr inventarisiert wurden. Der heutige Umgang mit der Sammlung wird dadurch erschwert, dass häufig für ein gesamtes Gräberfeld nur eine einzige Inventar-Nummer vergeben wurde und somit mehrere Hundert Objekte dieselbe Nummer tragen.



Pappe mit Fundstücken aus Grebieten, Kr. Fischhausen (Inv.-Nr. IV, 206, 5416).
In der rechten unteren Ecke ist das Schildchen der Altertumsgesellschaft Prussia zu erkennen (Foto C. Plamp).


Die sog. "kleinen Nummern" finden sich auf sehr kleinen gelblichen oder grünen Papierschildchen, die auf die Objekte geklebt wurden. Zuweilen kommen sie in Verbindung mit dem Kürzel O.P.M. vor, das für „Ostpreußisches Provinzialmuseum“ steht. Es handelt sich um fortlaufende Nummern, die in der Regel jeweils ein Objekt bezeichnen.



Kaiserzeitliche Fibel mit festem Nadelhalter aus Corjeiten, Kr. Fischhausen, Gr. 252 (Inv.Nr. O.P.M. 14946, Foto C. Plamp).


Ähnliche Nummern gibt es auch in Verbindung mit dem Kürzel P.Ö.G., das mit „Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft“ aufzulösen ist. Häufig handelt es sich um schmale, rechteckige, gelbe Schildchen, die sich durch einen dünnen schwarzen Rahmen von den oben behandelten unterscheiden. Auch von Hand ausgeführte Beschriftungen am Objekt treten auf. Im Aktenmaterial finden sich im Zusammenhang mit dem Kürzel P.Ö.G. auch laufende Nummern, die mit römisch Eins gefolgt von einer Seitenzahl beginnen (z.B. I, 65, 2147). Auf dem Stück selbst erscheint jedoch nur die laufende Nummer. Möglicherweise gab es nur ein einziges Inventarbuch, so dass die laufende Nummer zur Kennzeichnung der Objekte ausreichend war.

Die erste Gruppe der "kleinen Nummern" mit dem Kürzel O.P.M. stellt den Bestand des Ostpreußischen Landesmuseums dar, das 1876 durch die Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft gegründet wurde. 1905 wurde die prähistorische Sammlung von der Provinz übernommen und zur Verwaltung und Aufbewahrung der Altertumsgesellschaft Prussia übergeben. Die zweite Gruppe mit dem Kürzel P.Ö.G dürfte mit einer Sammlung prähistorischer Altertümer, die bereits 1845 von der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft an die Prussia abgegeben worden war, zu verbinden sein. Erst 1865 begann die Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft wieder mit der Anlage einer prähistorischen Sammlung, was später zur Gründung des Ostpreußischen Landesmuseums führte.

Eine weitere Gruppe von Inventarnummern hat das Format
"Jahreszahl: Nummer" (z.B. 1938:63). Dabei handelt es sich wohl um das Eingangsjahr kombiniert mit einer laufenden Nummer, die das Objekt bezeichnet.


Mittelalterliche Scheibenfibel aus Linkuhnen, Kr. Niederung mit Original-Schildchen (Inv.Nr. 1939:359, Foto C. Plamp).



Möglicherweise löste dieses neue System die „Nummern mit römischen Ziffern“ ab und wurde mit der Gründung des Landesamtes für Vorgeschichte eingeführt. Die kleinste in Berlin vorhandene Nummern ist „1902:5“. Auffälligerweise sind bestimmte Jahrgänge nicht vertreten, so 1904, 1905, 1907-1911, 1914-1927 und 1936. In den Akten des Prussia-Archivs gibt es Belege, dass Grabungen nachträglich gemäß dem Ausgrabungs- bzw. Eingangsjahr inventarisiert wurden, so z.B. das Fundgut aus dem Gräberfeld von Babienten, Kr. Sensburg, das erst 1935 mit Inventarnummern der Form „1913:…“ versehen wurde. Für das Gräberfeld von Daumen sind auf einem Aktenstück vom 29.3.1943 die Inventarnummern „1894:1-856“ vermerkt, mit dem Zusatz, dass die Inventarisierung noch nicht abgeschlossen sei.

Eine weitere Gruppe wurde vorläufig mit der Bezeichnung
„andere Nummern“ versehen. Zuweilen befindet sich vor der Nummer auch ein Doppelpunkt, d.h. ein Teil der Stücke gehört vermutlich zur Gruppe "Jahreszahl:Nummer", auch in der Ausführung der weißen Beschriftung sind Ähnlichkeiten vorhanden. In welchem Umfang noch andere Nummernsysteme in diesem Bestand enthalten sind, wird sich wohl erst nach Abschluss der Bearbeitung der anderen Gruppen klären lassen.

Es gab offensichtlich noch
andere Bestände mit eigenen Nummernsystemen, von denen jedoch nur wenige Stücke in Berlin erhalten sind. So z.B. Nummern, die mit der Abkürzung „K.A.S.“ versehen sind. Es handelt sich um Teile der „Sammlung vaterländischer Altertümer beim Königlichen Staatsarchiv in Königsberg“. Diese wurde 1811 als erste öffentliche Sammlung in Ostpreußen überhaupt angelegt. 1881 wurde sie an das Prussia-Museum abgegeben, verblieb jedoch in Staatseigentum. Der Vermerk „Gisevius“ auf einigen Objekten weist diese als Bestandteile der sog. Gisevius-Sammlung aus. Diese seinerzeit durchaus bedeutende Sammlung wurde vom Gymnasiallehrer Eduard Gisevius aus Tilsit zusammengetragen und nach seinem Tod der Prussia vermacht.

Es gibt weiterhin Objekte mit dem Vermerk „V.S.“, verbunden meist mit einer roten Nummer. Bei einigen Stücken ist die rote Beschriftung durchgestrichen und durch eine weiß ausgeführte „Jahreszahl:Nummer“ ersetzt worden (z.B. V.S. 14722 verbessert auf 1942:544). Im Aktenmaterial gibt es Hinweise darauf, dass es sich um Inventarnummern von Objekten handelt, die ehemals zum Bestand des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte in Danzig gehörten. Die Abkürzung „V.S“ stünde dann für „Vorgeschichtliche Sammlung“. 1941 hat ein Austausch von westpreußischen gegen ostpreußische Funde zwischen dem Danziger und dem Prussia-Museum stattgefunden. Zum Teil wurden die erhaltenen Objekte dann im Prussia-Museum in der Form „Jahreszahl:Nummer“ uminventarisiert. Der Vermerk „E.B.“ oder „E.J“ auf einigen Objekten lässt sich möglicherweise als Abkürzung für „Eingangsbuch“ oder „Eingangsjournal“ deuten (z.B. E.J. 83/30 meint Objekt Nr. 83, Eingangsjahr 1930; aber auch die umgekehrte Lesung, also Objekt Nr. 30, Eingangsjahr 1883 wäre denkbar). Diese Zusammenstellung der einzelnen Bestände mit Original-Nummern zeigt deutlich, dass die Prussia fremde Bestände, die sie übernahm, in der Regel nicht in ihr eigenes System integrierte.

Für Stücke, denen sich heute keine Nummer mehr zuweisen lässt, wurden
Behelfsnummern, sog. „Pr-Nummern“ von den derzeitigen Bearbeitern vergeben, die sich aus dem Kürzel „Pr“ für „Prussia“ und einer laufenden Nummer zusammensetzen. In diesem Bestand dürften vor allem Objekte der ersten beiden hier behandelten Gruppen vorhanden sein.

Das Magazinierungssystem des Prussia-Museums zeichnete sich durch das Befestigen der Stücke eines Fundorts (wenn vorhanden in Grab- oder vergleichbaren Zusammenhängen) auf einer Pappe aus. Diese wurde beschriftet und mit einem Schildchen versehen, nicht aber die Objekte selbst. Letzteres geschah wohl nur in Einzelfällen, wenn man Gegenstände (vermutlich zu Leihzwecken oder zur wissenschaftlichen Bearbeitung) von der Pappe entfernte. Zahlreiche Stücke fehlen jedoch auf den erhaltenen Pappen. Sie wurden entweder während der Auslagerungszeit im Gutshaus Broock entfernt (und müssen in diesem Fall wohl als verloren gelten) oder haben sich während der zahlreichen Verlagerungsaktionen gelöst und konnten dann nur noch dem nummernlosen Bestand zugeordnet werden. Die Aussicht diese Gegenstände wieder zu identifizieren erscheint gerade bei Eisengegenständen vergleichsweise gering, nichtsdestotrotz wird dies natürlich versucht, zumal auch exzeptionelle Stücke darunter sind, bei denen eine Bestimmung auch mit Hilfe der Literatur gelingen müsste.

Offensichtlich magazinierte die Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft ihre Funde ähnlich, zusätzlich war jedoch jedes einzelne Objekt mit einer kleinen aufgeklebten Nummer versehen. Zuweilen hat sich diese jedoch gelöst, so dass sich unter den „Pr-Nummern“ sicher auch Stücke aus diesem Bestand finden, zumal sie nicht mit dem Fundort beschriftet wurden. Dieser und auch ggf. der Grabzusammenhang ist nur auf den Pappen angegeben. Erst die Auswertung der Ortsakten und anderer Archivquellen ermöglichen heute eine Reidentifizierung und Rekontextualisierung der Stücke.

(Christine Reich, Christoph Jahn)