Viehhof
Wolgabulgarische Äxte aus Ostpreußen
16/January/2014
Unter den Waffen aus der Prussia-Sammlung befindet sich die sehr seltene Form einer so genannten Doppelaxt . Sie stammt aus Fundkomplex 14 der großen Nekropole von Viehof, Kr. Labiau im östlichen Samland (heute Tjulenino, Russ. Föderation). Von diesem Gräberfeld haben sich in Berlin rund 1.200 Funde des 10. bis 13. Jahrhunderts erhalten. Der Komplex 14 kann als Grabausstattung eines berittenen Kriegers interpretiert werden, dem neben seiner Axt auch ein Schwert, ein Speer, zahlreiche Eisenmesser sowie Reste seines Streitrosses mit Reitausrüstung beigegeben war. Der Mann trug neben einem Halsring und einem Fingerring auch ein Hufeisenfibelpaar mit mohnkopfförmigen Enden, das die Grablege in das 11. Jahrhundert datiert.
(Abb. 1: Doppelaxt aus Fundkomplex 14 des Gräberfeldes von Viehof; s. auch Abb. 3,1)
An die Viehofer Axt ist ein weiteres Stück aus der Prussia-Sammlung anzuschließen, allerdings aus dem fundortlosen Bestand.
(Abb. 2: Doppelaxt, ehemaliges Ostpreußen, genauer Fundort unbekannt; s. auch Abb. 3,2)
In Skandinavien kennen wir diese Doppeläxte etwa aus Gotland oder der Nekropole des Handelsplatzes von Birka in Mittelschweden.
(Abb. 3: Doppeläxte aus dem Baltikum und Skandinavien :1 Viehof; 2 Ostpreußen; 3 Birka; 4 Gotland)
Dieser Axttyp ist eine eindeutige Fremdform im Ostseeraum: ihr Hauptverbreitungsgebiet befindet sich in Nordrussland und an der mittleren Wolga, der Ursprung der Axtform liegt im Reich der Wolgabulgaren, das vom 7. bis zum 13. Jahrhundert im Bereich der Flüsse Wolga und Kama einen wichtigen politischen Faktor des nordeurasischen Raumes und eine bedeutende Handelsmacht darstellte. Ähnliche Axtformen sind im Karpatenbecken bereits aus früh- und mittelawarischer Zeit bekannt. Durch den Austausch der Wolgabulgaren mit dem benachbarten Reich der Kiewer Rus` gelangten solche Äxte auch ins Baltikum und von dort nach Skandinavien.
(Abb. 4: Doppeläxte aus Nordrussland und dem Wolgagebiet)
Solche für das Baltikum und Skandinavien „exotischen“ Waffen waren vermutlich Abzeichen einer international agierenden Schicht von Kriegern und Händlern. Dafür sprechen die Axtfunde aus Gotland, einer wichtigen Drehscheibe im Ost-West-Handel, sowie die Belege aus dem schwedischen Handelszentrum von Birka, dessen materielle Kultur nicht nur bei der Bewaffnung, sondern auch bei exklusiven Trachtausstattungen Einflüsse aus dem wolgabulgarischen Bereich erkennen lässt.
Auch der Krieger mit der Doppelaxt aus Viehof gehörte ohne Zweifel zu einer privilegierten Schicht, da als Hauptwaffe ein Schwert führte, das dort nur in 4,9 % der Bestattungen auftritt, während Lanzenbewaffnung in 14,2 % der Gräber vorkommt, also fast dreimal so häufig. Interessant ist weiterhin, dass der zweite Axtbeleg aus Viehof, dessen genauer Fundkontext leider unbekannt ist, an seinem hinteren Bartende einen dreizipfligen Fortsatz aufweist. Dieses Merkmal ist vor allem an Äxten aus Gotland bekannt und verweist auf die internationalen Verbindungen mancher Angehörigen der prussischen Kriegerschicht.
(Abb. 5: Bartaxt aus Viehof)
(Norbert Goßler)
(Abb. 1: Doppelaxt aus Fundkomplex 14 des Gräberfeldes von Viehof; s. auch Abb. 3,1)
An die Viehofer Axt ist ein weiteres Stück aus der Prussia-Sammlung anzuschließen, allerdings aus dem fundortlosen Bestand.
(Abb. 2: Doppelaxt, ehemaliges Ostpreußen, genauer Fundort unbekannt; s. auch Abb. 3,2)
In Skandinavien kennen wir diese Doppeläxte etwa aus Gotland oder der Nekropole des Handelsplatzes von Birka in Mittelschweden.
(Abb. 3: Doppeläxte aus dem Baltikum und Skandinavien :1 Viehof; 2 Ostpreußen; 3 Birka; 4 Gotland)
Dieser Axttyp ist eine eindeutige Fremdform im Ostseeraum: ihr Hauptverbreitungsgebiet befindet sich in Nordrussland und an der mittleren Wolga, der Ursprung der Axtform liegt im Reich der Wolgabulgaren, das vom 7. bis zum 13. Jahrhundert im Bereich der Flüsse Wolga und Kama einen wichtigen politischen Faktor des nordeurasischen Raumes und eine bedeutende Handelsmacht darstellte. Ähnliche Axtformen sind im Karpatenbecken bereits aus früh- und mittelawarischer Zeit bekannt. Durch den Austausch der Wolgabulgaren mit dem benachbarten Reich der Kiewer Rus` gelangten solche Äxte auch ins Baltikum und von dort nach Skandinavien.
(Abb. 4: Doppeläxte aus Nordrussland und dem Wolgagebiet)
Solche für das Baltikum und Skandinavien „exotischen“ Waffen waren vermutlich Abzeichen einer international agierenden Schicht von Kriegern und Händlern. Dafür sprechen die Axtfunde aus Gotland, einer wichtigen Drehscheibe im Ost-West-Handel, sowie die Belege aus dem schwedischen Handelszentrum von Birka, dessen materielle Kultur nicht nur bei der Bewaffnung, sondern auch bei exklusiven Trachtausstattungen Einflüsse aus dem wolgabulgarischen Bereich erkennen lässt.
Auch der Krieger mit der Doppelaxt aus Viehof gehörte ohne Zweifel zu einer privilegierten Schicht, da als Hauptwaffe ein Schwert führte, das dort nur in 4,9 % der Bestattungen auftritt, während Lanzenbewaffnung in 14,2 % der Gräber vorkommt, also fast dreimal so häufig. Interessant ist weiterhin, dass der zweite Axtbeleg aus Viehof, dessen genauer Fundkontext leider unbekannt ist, an seinem hinteren Bartende einen dreizipfligen Fortsatz aufweist. Dieses Merkmal ist vor allem an Äxten aus Gotland bekannt und verweist auf die internationalen Verbindungen mancher Angehörigen der prussischen Kriegerschicht.
(Abb. 5: Bartaxt aus Viehof)
(Norbert Goßler)
Hinter Schloss und Riegel: die Objektgruppe Schloss und Schlüssel
16/May/2012
Unter den Grabfunden des 9. bis 12. Jahrhunderts, die einen Hauptteil des mittelalterlichen Bestandes der Prussia-Sammlung bilden, finden sich vereinzelt auch Reste von Schlüsseln und Schlössern. Sie waren als Beigaben mit in die Gräber gekommen.
(Viehhof, Kr. Labiau, Fundkomplex 108/109, 9.-12. Jh.)
(Popelken, Kr. Wehlau, Gräberfeld, 9.-12. Jh.)
Meist handelt es sich um zylindrische Vorhängeschlösser mit einem sich selbsttätig schließendem Verschlussteil, das in der Regel nicht erhalten ist. Zum Öffnen des Verschlussmechanismus wurde ein Schlüssel mit rundem Bart in eine Öffnung am Ende des Schließzylinders eingeführt.
(Ramutten-Jahn, Kr. Memel, Streufund, 9.-12. Jh.)
Schloss wie Schlüssel weisen oft Verzierungen auf, etwa in Form von Einlegearbeiten aus Buntmetalldrähten.
(Polwitten, Kr. Fischhausen, Gräberfeld, 9.-12. Jh.)
Die Schlösser gehörten möglicherweise zu auf diese Weise verschließbaren Kästchen aus Holz, die sich nicht erhalten haben, vor allem wenn es sich um Beigaben in Brandbestattungen handelt. In den Kästchen konnten ihre Besitzer oder Besitzerinnen wertvolle Gegenstände vor dem Zugriff Dritter sicher verwahren. Die Beigabe von Schlössern und Schlüsseln könnte ihre Ursache aber auch in speziellen Jenseitsvorstellungen haben, etwa als Maßnahme, Verstorbene sicher an das Grab zu bannen.
Neben diesen hochmittelalterlichen Grabfunden liegt mit dem spätmittelalterlichen Vorhängeschloss von der Befestigung in Unterplehnen, Kr. Rastenburg (Rówina Dólna, Woiw. Warmińsko-Mazurskie, Polen) auch ein Zeugnis für die Sachkultur der Deutschordenszeit vor. Es war mit einem Spreizfedermechanismus versehen und verschloss in der Burganlage mutmaßlich eine Truhe zur Aufbewahrung von wertvollem Besitz.
(Unterplehnen, Kr. Rstenburg, Siedlungsfund Burgwall, 13./14. Jh.)
(Norbert Goßler)
(Viehhof, Kr. Labiau, Fundkomplex 108/109, 9.-12. Jh.)
(Popelken, Kr. Wehlau, Gräberfeld, 9.-12. Jh.)
Meist handelt es sich um zylindrische Vorhängeschlösser mit einem sich selbsttätig schließendem Verschlussteil, das in der Regel nicht erhalten ist. Zum Öffnen des Verschlussmechanismus wurde ein Schlüssel mit rundem Bart in eine Öffnung am Ende des Schließzylinders eingeführt.
(Ramutten-Jahn, Kr. Memel, Streufund, 9.-12. Jh.)
Schloss wie Schlüssel weisen oft Verzierungen auf, etwa in Form von Einlegearbeiten aus Buntmetalldrähten.
(Polwitten, Kr. Fischhausen, Gräberfeld, 9.-12. Jh.)
Die Schlösser gehörten möglicherweise zu auf diese Weise verschließbaren Kästchen aus Holz, die sich nicht erhalten haben, vor allem wenn es sich um Beigaben in Brandbestattungen handelt. In den Kästchen konnten ihre Besitzer oder Besitzerinnen wertvolle Gegenstände vor dem Zugriff Dritter sicher verwahren. Die Beigabe von Schlössern und Schlüsseln könnte ihre Ursache aber auch in speziellen Jenseitsvorstellungen haben, etwa als Maßnahme, Verstorbene sicher an das Grab zu bannen.
Neben diesen hochmittelalterlichen Grabfunden liegt mit dem spätmittelalterlichen Vorhängeschloss von der Befestigung in Unterplehnen, Kr. Rastenburg (Rówina Dólna, Woiw. Warmińsko-Mazurskie, Polen) auch ein Zeugnis für die Sachkultur der Deutschordenszeit vor. Es war mit einem Spreizfedermechanismus versehen und verschloss in der Burganlage mutmaßlich eine Truhe zur Aufbewahrung von wertvollem Besitz.
(Unterplehnen, Kr. Rstenburg, Siedlungsfund Burgwall, 13./14. Jh.)
(Norbert Goßler)