Die Prussia-Sammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin

Zeittafel zur Geschichte der archäologischen Sammlung des Prussia-Museums in Königsberg (Pr.)

1844
Gründung der Altertumsgesellschaft Prussia durch den Königsberger Kunsthistoriker Ernst August Hagen (1797 – 1880). Schon frühzeitig legt die Gesellschaft eigene Sammlungen an.

1845
Die Altertumsgesellschaft Prussia erhält von der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft eine Sammlung zur Archäologie der Provinz Preußen. Letztgenannte Gesellschaft war bereits 1790 in Mohrungen gegründet worden und hatte 1798 ihren Sitz nach Königsberg (Pr.) verlegt.

1847
Das erste gedruckte Sammlungsverzeichnis der Altertumsgesellschaft Prussia erscheint. Es weist 170 Gegenstände aus. Die Exponate werden in einem Zimmer des Königsberger Schlosses aufbewahrt, welches die Wurzeln des späteren Prussia-Museums darstellt.

1865
Die Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft nimmt ihre archäologische Sammeltätigkeit wieder auf. Das rasche Anwachsen ihrer Sammlungen führt 1876 zur Gründung des Ostpreußischen Provinzialmuseums.

1875
Erstmals werden die „Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia“ herausgegeben, die ab 1878 ein selbständiges Organ der Gesellschaft bilden.

1879
Die im Turm des Königsberger Schlosses eingerichtete Schausammlung der Altertumsgesellschaft Prussia wird am 6. September von Kronprinz Friedrich von Preußen (später Kaiser Friedrich III.) besichtigt. Im „Hotel de Prusse“ in Königsberg (Pr.) organisiert die Gesellschaft im selben Jahr eine Ausstellung archäologischer Funde Ostpreußens, zu der ein Katalog erscheint.

1881
Das Königliche Staatsarchiv in Königsberg (Pr.) übergibt eine Sammlung von „Landesaltertümern“ zur treuhänderischen Verwahrung und wissenschaftlichen Nutzung an die Altertumsgesellschaft Prussia. Am 30. September des Jahres erfolgt in Anwesenheit des Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen die Eröffnung der Schausammlung der Altertumsgesellschaft als „Prussia-Museum“. Zu sehen ist sie in fünf Räumen im Nordflügel des Königsberger Schlosses.

1904
Das Prussia-Museum bezieht Räume im sog. Königshaus, dem alten Bibliotheksgebäude in der Königstraße 65 – 67.

1905
Die vorgeschichtliche Sammlung des Ostpreußischen Provinzialmuseums geht unter Vermittlung der Provinzialregierung an das Prussia-Museum über.

1923
Vom Königshaus übersiedelt das Prussia-Museum zurück in das Königsberger Schloss. Am 1. Juni 1924 erfolgt dort die Eröffnung einer neuen Schausammlung zur Ur- und Frühgeschichte Ostpreußens.

1925
Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten während der Inflation überträgt die Altertumsgesellschaft Prussia ihr Museum an die Provinz Ostpreußen. Zum Museum gehören zu diesem Zeitpunkt eine archäologische, eine ethnologische und eine heimatgeschichtliche Abteilung sowie eine Waffensammlung.

1934
Die Altertumsgesellschaft Prussia tritt dem neu gegründeten “Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte“ bei. Um den damit verknüpften Bedingungen nachzukommen, wird in der Hauptversammlung am 10. Dezember die Gleichschaltung der Gesellschaft beschlossen.

1936
Die Büroräume der Altertumsgesellschaft Prussia und des Prussia-Museums werden vom Königsberger Schloss in das Gebäude der Drei-Kronen-Loge, Hintertragheim 31 verlegt.

1937
Das Landesamt für Vorgeschichte mit seinem Direktor Wolfgang La Baume wird gegründet. Untergebracht ist es ebenfalls im “Logenhaus“, Hintertragheim 31. Archäologische Bodenfunde gelangen weiterhin in das Prussia-Museum. Die Altertumsgesellschaft Prussia führt fortan keine Grabungen mehr durch.

1943
Ein Großteil der Studiensammlung und des Fundarchivs wird kriegsbedingt nach Carlshof, Kr. Rastenburg (heute Karolewo, Pow. Kętrzyński, Woj. Marmińsko-Mazurskie, Polen) verlagert.

1944 – 1945
Zwischen Dezember und Januar erfolgt der Weitertransport des Museumsgutes nach Vorpommern und seine Unterbringung in dem bei Demmin gelegenen Schloss Broock. Dort ist die Prussia-Sammlung in Schränken auf dem Dachboden eingelagert, dabei jedoch frei zugänglich. In den darunter liegenden Etagen des Gebäudes werden Flüchtlinge einquartiert.

1946
Im April erfährt der Kaufmann und spätere Leiter des Kreisheimatmuseums Demmin Lothar Diemer, „daß im Gutsdorf Br[o]ock Kinder mit Steinbeilen auf der Straße spielen“. Ihm verdanken wir nicht nur einen ausführlichen Bericht über die im Schloss Broock erfolgten Plünderung und Verwüstung der archäologischen Funde und Archivalien der Prussia-Sammlung, sondern vor allem ihre Rettung. Mit Unterstützung durch seine Mitarbeiter transportiert er die Funde und Archivalien in sein Warenlager, wo sie bis 1949 verbleiben.

1949
Unter Vermittlung von Prof. Dr. Wolfgang La Baume und Prof. Dr. Wilhelm Unverzagt erfolgt im August die Überführung der Prussia-Sammlung von Demmin in das spätere Institut für Vor- und Frühgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in der Chausseestraße 13, wo die 125 Kisten bis zum Umzug des Instituts verbleiben. Über ihre Existenz wird Stillschweigen bewahrt.

1958
Das Institut für Vor- und Frühgeschichte bezieht neue Räumlichkeiten im ehemaligen Preußischen Herrenhaus in der Leipziger Straße 3–4. Mit dem Institut gelangt auch die Prussia-Sammlung in das dicht an der Sektorengrenze im Ost-Berliner Stadtbezirk Mitte gelegene Gebäude. Ab 1969 ist es Sitz des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, dem fortan die Verwaltung der Sammlung obliegt.

1968
Die Prussia-Sammlung wird „im Zuge von Renovierungsarbeiten“ im „nichtausgebauten Keller unterhalb des Plenarsaales“ des Preußischen Herrenhauses „untergestellt“ und verbleibt dort wahrscheinlich bis 1990. In Folge zweier Rohrbrüche nimmt die Sammlung erheblichen Schaden.

1976
Vom Kreisheimatmuseum Demmin (Meckl.) erhält das Museum für Ur- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin/DDR zwei Kartons mit archäologischen Funden des Prussia-Museums. Bei der Inventarisierung der 224 Objekte wird deren Vorprovenienz nirgends schriftlich fixiert.

1986
Das Museum für Ur- und Frühgeschichte bemüht sich im Zusammenhang mit der Neukonzeption seiner Dauerausstellung erfolglos um die Übernahme der Prussia-Sammlung.

1990
übergibt die Akademie der Wissenschaften der DDR dem Museum für Ur- und Frühgeschichte die Prussia-Sammlung. Im Alten Museum auf der Berliner Museumsinsel werden die 124 Kisten mit archäologischen Funden und Archivalien ausgepackt, gesichtet, grob gereinigt und provisorisch neu verpackt. Erste Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten finden statt.

1992 – 1994
Mit der Wiedervereinigung der beiden Berliner Vorgeschichtsmuseen gelangt die Prussia-Sammlung in das Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Für die archäologischen Funde wird im Langhans-Bau des Schlosses Charlottenburg ein eigenes Depot eingerichtet. Die Archivalien gelangen in das wenige hundert Meter entfernt gelegene Archiv des Museums.

1993 – 2005
Neukatalogisierung der archäologischen Funde der Prussia-Sammlung. Im Rahmen von mehreren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und ehrenamtlicher Mitarbeit werden durch die Archäologen Dr. Christine Reich und Dr. Andrea Becker-Hagen, die Ethnologin Marlies Uslu und den Kunsthistoriker Harry Nehls rund 30.000 Objekte katalogisiert.

1994
Dem Museum für Vor- und Frühgeschichte werden in 50 Kartons Restbestände der Prussia-Sammlung übergeben, die zuvor im Zentraldepot des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern in Ludwigslust bzw. im Archäologischen Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin lagerten. Alle diese Objekte weisen eine massive Schädigung durch Sekundärbrand und Korrosion auf.

1997
Erstmals sind Objekte aus der Prussia-Sammlung in der Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Langhans-Bau des Schlosses Charlottenburg zu sehen.

2000 – 2003
Strukturierung und Sortierung der annähernd 50.000 Blatt umfassenden Archivalien-Konvolute der Prussia-Sammlung durch den Archäologen Michael Malliaris und den Archivar Horst Wieder im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die daraus neu gebildeten 2.473 fundortbezogenen Akteneinheiten werden im Herbst 2002 als „Prussia-Fundarchiv“ des Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

seit 2002
Gastwissenschaftler und Studenten aus Deutschland, Polen, Litauen, Russland, Dänemark und weiteren Staaten nutzen das Prussia-Fundarchiv und die Objekte der Prussia-Sammlung für ihre Forschungsziele. Unter Auswertung der archälogischen Funde und archivischen Dokumente entstehen zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten. Einige von ihnen basieren ausschließlich auf Quellenmaterialien der Prussia-Sammlung.

2004 – 2007
Die Rekonstruktion des Gräberfeldes von Oberhof, Kreis Memel (heute Aukštkiemiai, Raj. Klaipeda, Litauen) ist Gegenstand eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Die von Christine Reich durchgeführte Auswertung der erhaltenen Funde und überlieferten Archivalien bildet die Voraussetzung für die chronologische Feingliederung der von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter belegten Nekropole.

seit 2005
Eine aus dem wissenschaftlichen Nachlass des Königsberger Archäologen Otto Tischler (1843 – 1891) herausgelöste Sammlung von Briefen bedeutender europäischer Forscher und Gelehrter des 19. Jahrhunderts wird durch die Toxikologin Elke Roßkamp in ehrenamtlicher Arbeit in die Datenbank Kalliope des zentralen Verbundkataloges für Nachlässe und Autographen und in die Handschriften-Datenbank des Museums für Vor- und Frühgeschichte eingepflegt. Dabei erfolgt auch eine Transkription aller Dokumente.

2011
Aus Privatbesitz erhält das Museum für Vor- und Frühgeschichte ein Konvolut von Reisetagebüchern Otto Tischlers aus den Jahren 1875 bis 1890.

2011 - 2014
Die erste systematische wissenschaftliche Erfassung und Vorlage der mittelalterlichen Bestände der Prussia-Sammlung nach 1945 erfolgt im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Das Baltikum im 9. bis 15. Jahrhundert n. Chr.“ durch Norbert Goßler und Christoph Jahn. Dabei werden die umfangreichen mittelalterlichen Fundbestände am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte umfassend ausgewertet, digital erfasst und der internationalen Forschung online zugänglich gemacht.

seit 2012
Ein wissenschaftliches Kooperationsprojekt des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte mit dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig widmet sich unter dem Titel „Forschungskontinuität und Kontinuitätsforschung – Siedlungsarchäologische Grundlagenforschung zur Eisenzeit im Baltikum“ der Verknüpfung der Archivalien- und Fundbestände des ehemaligen Prussia-Museums mit den Ergebnissen der archäologischen Feldforschung in den Staaten und Gebieten des südöstlichen Ostseeraumes seit 1945. Das von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz über eine Dauer von achtzehn Jahren geförderte interdisziplinäre Forschungsvorhaben wird in Berlin durch Heidemarie Eilbracht bearbeitet. In Schleswig sind Timo Ibsen und Jaroslaw Prassolow an dem Vorhaben beteiligt. Im Rahmen des Projektes ist unter anderem die Erarbeitung eines „Archäologischen Atlas Westbaltikum“ und die Digitalisierung und Onlinestellung der Archivalien des Prussia-Fundarchivs vorgesehen.

seit 2015
Die umfangreichen ostpreußischen Gräberfelder der Römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit stehen seit jeher im Zentrum des Interesses der archäologischen Forschung. Nach der Vorlage der
mittelalterlichen Bestände werden in einem weiteren Forschungsprojekt nun auch die Funde des 1.-7. nachchristlichen Jahrhunderts durch Christoph Jahn und Iza Szter wissenschaftlich erschlossen und der Forschung digital zur Verfügung gestellt.

(Horst Junker, Christine Reich, Horst Wieder und Christoph Jahn)