Die Prussia-Sammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin

Groß Friedrichsberg

Wieder gefunden: ein Helmfragment aus Ekritten

Seit Januar 2013 läuft die zweite Phase der Objekterfassung im DFG-Projekt „Das Baltikum im 9. bis 15. Jahrhundert n. Chr.“: nachdem zunächst die Bestände mit noch bekannten Fundorten aufgenommen wurden, stehen nun die zahlreichen Objekte ohne Fundortzuweisung (sog. Pr-Nummern) im Mittelpunkt der aktuellen Erfassung.
Ziel der Arbeit ist es unter anderem, den ursprünglichen Fundzusammenhang möglichst vieler Objekte wiederherzustellen. Dabei helfen z. B. Fotos oder Zeichnungen der Altfunde in der archäologischen Literatur vor 1945. Auf diese Weise gelang auch die spektakuläre Reidentifikation eines der wenigen mittelalterlichen Helmfunde im Baltikum.


(Ekritten, Kr. Fischhausen - Helmzustand 1939. La Baume, Nachrichtenbl. Dt. Vorzeit, 15, 11/12, 1939 Taf. 79).

Im samländischen Ekritten war bei Grabungen im Jahr 1939 ein reich ausgestattetes Kriegergrab des 11. Jahrhunderts aufgedeckt worden, das unter anderem mehrere silbertauschierte Lanzenspitzen, Reitzubehör und einen kegelförmigen Helm enthielt, der ursprünglich vermutlich sogar einen Helmbusch besaß. Die Helmkalotte bestand nach Wolfgang La Baume aus vier trapezförmigen, mit Bronzeblech verkleideten Eisenplatten, die an ihren Längskanten überlappend miteinander vernietet und durch ein schmales, mit Buckelchen besetztes Bronzeband verziert waren.


(Heutiger Zustand der Helmfragmente von Ekritten, Kr. Fischhausen - erhaltene Höhe: 22 cm).

Unter den zahlreichen fundortlosen Fragmenten des Berliner Prussia-Magazins fand sich nun ein trapezförmiges Bronzeblech mit ankorrodiertem Eisen, Nieten und dem Rest eines ehemals gebuckelten Saumes (im Bild oberes Fragment). Der Vergleich mit der 1940 erstellten Rekonstruktion des Helmes aus Ekritten zeigt, dass es sich um ein Segment der verloren geglaubten Helmkalotte handeln muss. Eine alternative Deutung als Fragment einer romanischen Bronzeschale ist aufgrund der Form und der anhaftenden Eisenreste unwahrscheinlich. Einige Wochen später tauchte an einer anderen Stelle der Prussia-Sammlung ein weiteres Blechstück auf (im Bild unteres Fragment), das ohne Weiteres an das erste Helmfragment anzupassen ist. Auf diese Weise lässt sich nun ein fast vollständiges Helmsegment rekonstruieren. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig die systematische Bearbeitung der Prussia-Sammlung ist, um verloren geglaubte Objekte für die archäologische Forschung wiederzugewinnen.


(Rekonstruktion des Helms von Ekritten, Kr. Fischhausen).

Die vorliegende Helmform ist nur zweimal in Ostpreußen belegt: neben Ekritten ist vor allem ein heute verschollener Fund aus der Nekropole Groß Friedrichsberg bei Königsberg zu nennen.


(Helm aus Groß Friedrichsberg, Gaerte 1929, 339 Abb. 273)

Er zeigt einen sehr ähnlichen Aufbau und war ursprünglich sogar vergoldet. Ähnliche Helmformen sind auch aus Litauen bekannt. Die Vorbilder dieser Helme weisen in den russischen Bereich und zeugen vom großen Einfluss des Reiches der Kiewer Rus’ auf die Bewaffnung im Baltikum und bei den Westslawen.

(Norbert Goßler)

Prussische Reiterkrieger und ihre Ausrüstung: Steigbügel in der Prussia-Sammlung

Steigbügel dienten den schwer bewaffneten Reiterkriegern des Mittelalters vor allem als wichtige Aufsteighilfe. Darüber hinaus verliehen sie dem Reiter – insbesondere beim Kampf zu Pferde – zusätzlichen Halt nach den Seiten.


(Grabfund aus Groß Friedrichsberg, Kr. Königsberg)

Im mittelalterlichen Bestand der Prussia-Sammlung bilden Steigbügel aus Eisen die größte Einzelfundgruppe. Von den rund 4900 Funden, die sich heute noch Fundorten zuweisen lassen, entfallen über 11 % auf die Gruppe der Steigbügel, ihr Anteil an der Fundgattung des Reitzubehörs umfasst sogar 46 %.


(Grabfund, wahrscheinlich aus Schulstein, Kr. Königsberg)

In der Regel handelt es sich bei den Steigbügeln um Grabbeigaben; die Dominanz der Fundgruppe unterstreicht die große Bedeutung, die die Selbstdarstellung der Verstorbenen als berittene Krieger für die prussische Gesellschaft bis ins 13. Jahrhundert besaß. Teilweise stammen aus einer Grablege sogar mehrere Steigbügelpaare: möglicherweise wurde so der Besitz mehrerer Pferde symbolisiert. Handelt es sich um Funde aus großflächigeren Verbrennungsstellen, so genannten Aschenplätzen, könnte es sich allerdings auch um die aufeinander folgenden Grablegen mehrerer Reiterkrieger handeln.


(Grabfund aus Landskron, Kr. Friedland)

Die Steigbügelfunde der Prussia-Sammlung werden zurzeit umfassend ausgewertet. Ziel der Untersuchung ist ein Vergleich der mittelalterlichen Steigbügel aus dem ehemaligen Ostpreußen mit dem west-, mittel- und nordeuropäischen Fundmaterial. Gerade die Frage nach dem frühesten Auftreten von Steigbügeln im südwestlichen Baltikum könnte auch neue Beiträge zur prussischen Gräberfeldchronologie erbringen.


(Grabfund aus Nastrehnen, Kr. Fischhausen)

Literatur:

N. Goßler, Die mittelalterlichen Steigbügel aus dem Berliner Bestand der Prussia-Sammlung (ehemals Königsberg/Ostpreußen) – Studien zu Typologie, Chronologie und Kulturgeschichte. Acta Praehist. et Arch. 45, 2013, 109-215.

(Norbert Goßler)